„Du treibst nur irgendein Teufelszeug!“

Die Frau von Pastor Pedro war einmal bei uns, weil sie geheilt werden wollte. Nach außen beschimpfen sie uns, die Malirinai nennen sie Teufel. Aber wenn der Tod näher rückt, bringen sie ihre Kranken zu uns.

Ich glaube, dass sie es zuerst in ihren Kirchen versuchen. Sie beten zu Gott und bitten um Hilfe aus dem Himmel. In einigen Fällen reicht das aber nicht aus, und den Patienten geht es noch schlechter als vorher. Dann laden die Frauen ihre Kranken aufs Boot und fahren zu meinem Vater. Siehst du, wie verlogen diese Evangelischen sind? Meiner Meinung nach begehen sie große Sünden. Sie lassen sich von meinem Vater heilen und reden trotzdem schlecht über ihn.

„Hier ist kein Platz für dich“, haben sie mir auch schon gesagt, als ich Verwandte am Rio Içana besuchen wollte. „Wenn du bleibst, treibst du nur irgendein Teufelszeug.“

Ich glaube bloß nicht, dass solche Lügner in den Himmel kommen. Warum machen sie sich überhaupt die Mühe, in die Kirche zu gehen? Ich entgegne diesen Evangelischen immer: „Wenn ich der Teufel bin, treffen wir uns in der Hölle.“

Die schönen Frauen von Hipana

„Die Frauen von Hipana sind schön. Viele von den jungen Männern kennen aber die alten Heiratsregeln nicht mehr, und ich finde, dass das eine Schande ist. Ich empfehle allen, die heute hier sitzen: Ein Huhuteni-Mann heiratet am besten imme eine Siusi-Frau! Aber diese jungen Männer reden lieber über die Mädchen aus dem eigenen Dorf, mit denen sie beim Bierfest tanzen. Um die Clanzugehörigkeit kümmert sich niemand mehr.“

Dzuliferi Huhuteni, Schamanenlehrling
Schminkvorbereitungen vor dem Tanzfest in Hipana
Der Fotograf Giorgio Palmera hat auf diesen Reisen umfangreiches Foto- und Filmmaterial aufgenommen. Medienorganisationen, die es benutzen wollen, können sich beim Verlag oder direkt bei Giorgio melden.

„Die Geheimnisse der Jaguarschamanen“

Wütende Geister in den Felsen und ungeformte Seelen in der Unterwelt? Orte des reinen Glücks, die über den Wolken liegen? Flugpläne für Reisen in die Andere Welt unter dem Einfluss der Psychodroge Pariká?

Der US-amerikanische Religionswissenschaftler Robin M. Wright ist seit den Siebzigerjahren immer wieder zu den Malirinai an den nordwestlichen Amazonas gereist. Er hat ihre Geschichten transkribiert und sich ihre komplizierte Weltvorstellung immer wieder erklären lassen – und schließlich eines der wichtigsten Standardwerke über die „Jaguarschamanen“ im nordwestlichen Amazonasgebiet geschrieben. Die Interviews mit Wright an der Universität Florida waren eine der wichtigsten Quelle bei den Vorrecherchen für den „Sohn des Schamanen“.

Das Buch ist auf Englisch, in wissenschaftlicher Sprache verfasst und eignet sich für alle, die noch viel tiefer in die Philosophie und die Praktiken der Malirinai eintauchen wollen. Der Verlag stellt netterweise eine Vorschau zur Verfügung, in der man kostenlos die Einführung lesen kann. Es gibt eine preiswerte Kindle-Version.

Der Religionswissenschaftler Robin M. Wright hat ein Standardwerk über die Malirinai geschrieben

Wer ist der Giftmörder von Hipana?

Du fragst, wer in Hipana hinter den Morden steckt. Ich finde, dass das eine gute Frage ist. Wer will so viel Böses gegen meine Familie tun, obwohl wir selber so friedlich sind?

Über die Jahre ist das Böse stärker geworden in meinem Dorf. Ich kann es spüren, seit wir angekommen sind. Das Böse in Hipana hat eine Geschichte, sie reicht weit zurück. Als ich ein Kind war, wurde einmal ein neues Haus gebaut. Die Erwachsenen hoben die Löcher für die Holzpfähle aus, und ich spielte mit der Erde und dem Sand. Ich fand zwei kleine Dosen, die tief vergraben waren, randvoll mit verklumptem schwarzem Pech. Ich warf sie einfach weg, aber ich erzählte auch meinem Großvater José davon, der damals der Häuptling war. Er war nicht mal überrascht. Er sagte, dass er die Döschen schon lange in seinen Träumen gesehen hatte, sie aber nirgendwo finden konnte.

Solches Gift wird tief unter der Erde vergraben, und die Menschen beginnen deswegen Streit. Die jungen Männer prügeln sich um die Mädchen, Eheleute entzweien sich ohne Grund. Aber niemand weiß, wer diese Dosen vergraben hatte, ob es ein Zauberer von flussaufwärts oder von flussabwärts war. Wir wissen nur, dass es immer viel Streit in Hipana gegeben hatte, irgendwelche Beschuldigungen, irgendwelche Gerüchte. Nie weiß man so etwas ganz genau.

Selbst wenn ein Giftmord geschieht, kann keiner sagen, wer der Mörder ist. Wir wissen nur, dass er unter uns lebt. Ist es ein Mann oder eine Frau? Alt oder jung? Der Mörder besucht unsere Feste und sitzt im Gemeindehaus, morgens und abends, beim Frühstück und beim Abendessen mit dem ganzen Dorf. An einem geheimen Ort versteckt er sein Gift.

Dzuliferi Huhuteni, Schamanenlehrling

Auszug aus dem Buch „Der Sohn des Schamanen“

Schamanenhaus in Hipana (c) Giorgio Palmera
Ritual in Hipana (c) Giorgio Palmera
Zubereitung von Pariká (c) Giorgio Palmera

Vier Jahre, ein Buch

In wenigen Wochen ist es so weit: Am 13. September erscheint im Heyne-Verlag „Der Sohn des Schamanen“, ein Hardcover von rund 300 Seiten über den Überlebenskampf des traditionsreichen Volks der Huhuteni. Am Oberlauf des Rio Negro behaupten die Leute, dass die Huhuteni-Schamanen auf unerklärliche Weise Krankheiten heilen können – aber dass sie auch mit bloßer Gedankenkraft ihre Feinde töten. Doch kann dieses gefürchtete Volk auch etwas ausreichen gegen Goldgräber, Holzfäller, Milizen und andere Zerstörer des Regenwalds?

Das Buch ist das Ergebnis jahrelanger Recherchen, vieler Fahrten auf den Flüssen im nordwestlichen Amazonasgebiet und einiger ausgedehnter Expeditionen durch den Regenwald. Unterwegs waren der Journalist Thomas Fischermann, die Biologin Dr. Luiza de Paula, der Waldführer und Indigenenexperte Davilson Brasileiro und der Fotograf Giorgio Palmera.

Der Held des Buches ist Dzuliferi Huhuteni, der als „Sohn des Schamanen“ in diesem Buch seine Geschichte erzählt. Er ist am Ursprung der Welt geboren, hat in seinem bewegten Leben einen großen Teil des Amazonasraums bereist. Er hat die Zerstörung an anderen Orten gesehen und will jetzt alles geben, um den Lebensraum seines Volkes und das kulturelle Erbe seiner Familie zu beschützen.