„Du treibst nur irgendein Teufelszeug!“

Die Frau von Pastor Pedro war einmal bei uns, weil sie geheilt werden wollte. Nach außen beschimpfen sie uns, die Malirinai nennen sie Teufel. Aber wenn der Tod näher rückt, bringen sie ihre Kranken zu uns.

Ich glaube, dass sie es zuerst in ihren Kirchen versuchen. Sie beten zu Gott und bitten um Hilfe aus dem Himmel. In einigen Fällen reicht das aber nicht aus, und den Patienten geht es noch schlechter als vorher. Dann laden die Frauen ihre Kranken aufs Boot und fahren zu meinem Vater. Siehst du, wie verlogen diese Evangelischen sind? Meiner Meinung nach begehen sie große Sünden. Sie lassen sich von meinem Vater heilen und reden trotzdem schlecht über ihn.

„Hier ist kein Platz für dich“, haben sie mir auch schon gesagt, als ich Verwandte am Rio Içana besuchen wollte. „Wenn du bleibst, treibst du nur irgendein Teufelszeug.“

Ich glaube bloß nicht, dass solche Lügner in den Himmel kommen. Warum machen sie sich überhaupt die Mühe, in die Kirche zu gehen? Ich entgegne diesen Evangelischen immer: „Wenn ich der Teufel bin, treffen wir uns in der Hölle.“

Auf der Reise in die Andere Welt

Du steigst immer weiter hinauf, auf Leitern aus Licht, die dich durch Universum führen, und diese Welt hier unten wird klein. Zu überwindest Hindernisse und wehrst Feinde ab, du musst an den Wächtern vorbei. Die ersten Wächter sehen wie Geier aus, danach attackieren dich weiße Vögel, die beim näheren Hinsehen weiß leuchtende Männer und Frauen sind. Sie sind schön, sie sehen gut aus, aber sie sind auch ein Hindernis und wollen dich vertreiben.

Auf manchen Reisen triffst du Verwandte, Großväter und Urgroßväter, die die Seelen verstorbener Malirinai sind. Einige helfen den Reisenden in der Anderen Welt voran, aber andere wollen das nicht. Bei der Ausbildung lernen die Malirinai von ihrem Lehrer, welche Wege sie nehmen müssen, um nicht verloren zu gehen. Sie wandern durch Häuser, Dörfer und Städte, und der Meister erklärt ihnen, wo sie sind.

Wenn du gut vorankommst, siehst du auf deiner Reise das Inferno. Wenn du weitergehen willst, musst du dort sterben. Du springst in ein Bad aus kochendem Baumharz, denn mit deinem Körper kannst du nicht weiter hinauf.

Du nimmst allen Mut zusammen und springst hinein.

Dzuliferi Huhuteni, Schamanenlehrling

Auszug aus dem Buch „Der Sohn des Schamanen“

Der Schamanenlehrling João aus Hipanas Nachbardorf Pana-Pana (c) Giorgio Palmera
Die Rassel eines Schamanen (c) Giorgio Palmera
Petroglyphen auf einem Felsen am Ayari-Fluss (c) Giorgio Palmera

Das Ritual der Jaguarschamanen

„Hee, hee“, beginnt das Lied der Jaguarschamanen, und jeder Vers, jede Wendung dieser langen gesungenen Beschwörungsformeln bringt die Malirinai an andere Orte in der „Anderen Welt“, im „Anderen Himmel“ und am „Platz unserer Knochen“ unter der Erde. Der Jaguarschamane Mário ließ uns auf den Recherchen zu diesem Buch an seinem Ritual teilnehmen.

Der Jaguarschamane Mário
Der Fotograf Giorgio Palmera hat auf diesen Reisen umfangreiches Foto- und Filmmaterial aufgenommen. Medienorganisationen, die es benutzen wollen, können sich beim Verlag oder direkt bei Giorgio melden.