Drogenschmuggler in Hipana

Ich weiß noch, wie mein Bruder Eduardo mir Ende der Siebzigerjahre erzählte: „Es gibt ein großes neues Geschäft in der Region, wir können nach Kolumbien ziehen und bei der Ernte der Kokasträucher halfen.“ Aber mir ist solche Arbeit zu viel. Ich bin dafür nicht gemacht. Früh aufstehen und sogar im Regen arbeiten gefällt mir nicht. Ich habe aber bis heute einen Kokastrauch in meinem Garten. In der Baniwa-Sprache nennen wir die Pflanze Hipatú. Nur wenige Huhuteni benutzen sie, doch in kann eine gute Medizin gegen Zahnschmerzen daraus machen. Sie wirkt auch gegen die Müdigkeit und hilft beim Auswendiglernen langer Benzimentos.

Ich weiß nicht, wie die Polizei damals von unseren Kokasträuchern erfuhr. Irgendwann Mitte der Achtzigerjahre kamen sie in unser Dorf. Acht Bundespolizisten stiegen unten am Wasserfall aus, sie kamen mit Booten, nicht im Helikopter. Im Dorf war schon Mittagszeit. Mittags sind die meisten Leute aber gar nicht zu Hause. Sie arbeiten draußen in ihren Gärten. Ein Leutnant war dabei, und er fragte mich: „Wo ist Carlos, der Kolumbianer? Und wo ist José Felipe?“

Diese zwei Personen wollten sie sprechen. José Felipe hat lange in Kolumbien gelebt, weil er bei den Händlern als Verladehelfer gearbeitet hat.

„José Felipe ist mein Schwager“, sagte ich den Polizisten.

„Und wo findne wir ihn?“

„In seinem Garten“, antwortete ich.

Dzuliferi Huhuteni, Schamanenlehrling

Auszug aus dem Buch „Der Sohn des Schamanen“

Rio Ayari (c) Giorgio Palmera

Wer ist das, dieser brasilianische Staat?

Wenn brasilianische Soldaten nach Hipana kommen, werden die Leute deswegen nicht nervös. Wir sind doch alle aus dem gleichen Land. Am Militärposten von Tunuí kontrollieren sie unsere Boote, sie öffnen alle Kisten und schauen unter die Regenplanen. Sie halten ihre Waffen gezückt, und manchmal reden sie rau mit uns. Aber am Ende lassen sie uns immer passieren. Ist das so, weil wir Indigene sind? Ist es, weil wir Brasilianer sind?

Ein Armeeleutnant hat uns in Hipana mal eine Nationalflagge vorbeigebracht, und an manchen Tagen lässt Plinio sie vor der Schule hissen. Die Schüler stehen dann in Reihen da, die Hände an die Naht ihrer Badehosen gelegt, und singen die Nationalhymne.

In manchen Jahren kommen die Soldaten besonders häufig in unsere Dörfer, weil sie Goldschmuggler suchen oder Drogenhändler jagen. Jeder von uns weiß, wann die Drogenkuriere über die Flüsse fahren, meist tun sie das in der Nacht. Sie schlagen auch eigene Pfade durch den Wald und laufen um die Militärposten herum. Ich frage mich immer: „Wissen die Soldaten das nicht? Warum unternehmen sie nichts dagegen? Können sie sich nicht ein bisschen mehr anstrengen, um dieses Land Brasilien voranzubringen?“

Dzuliferi Huhuteni, Schamanenlehrling

Auszug aus dem Buch „Der Sohn des Schamanen“

São Gabriel da Cachoeira ist hier mit 40.000 Einwohnern die größte Stadt (c) Giorgio Palmera
Das „Zentrum der Welt“ verorten die Huhuteni aber in Hipana am Rio Ayari (c) Giorgio Palmera